Wer die Galleries in London genießen möchte…

…sollte sie vielleicht nicht unbedingt am Wochenende besuchen. Schon bei der Ankunft in der Tate Britain nach dem Flug (der übrigens nicht ohne Schwierigkeiten angetreten werden konnte, da ein gewisser Jemand seinen Pass vergessen hatte) tummeln sich einige Menschen in der Eingangshalle. In der Ausstellung “Late Turner” sind es noch mehr: Vor jedem Bild stehen zehn Menschen, die nicht weitergehen können, weil vor dem nächsten Gemälde auch wieder zehn Betrachter stehen. Manchmal kommt man bis auf ein paar Meter nicht näher heran, die subtileren Details und Maltechniken bleiben unbemerkt. Man steht am Rand und kann nicht die zentrale Perspektive und volle Fläche des Gemäldes auf sich wirken lassen. Genauso wie die Menschen, die in Turners Bildern auch meist am Rand herumlungern. Schattenformationen wirken dagegen manchmal riesenhaft, bedrohlich, als würde aus der einen Ecke gleich ein Ungeheuer ins Bild treten. Manchmal schafft Turner es, links mit einer farblichen Stimmung anzufangen und rechts mit einer ganz anderen aufzuhören. Insgesamt waren mir die Gemälde in dieser Ausstellung jedoch zu gelbton- und sonnenaufgangslastig – ich ziehe Turners Dämmerungs- und Nachtbilder vor.
Besser gefällt mir da die Dauerausstellung der Tate – besonders die hohe Halle mit den Gemälden aus der viktorianischen Zeit ist wirklich einen Besuch wert! Die Präraphaeliten bestechen durch ihre Freude an Details und melancholischen Frauen:

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[John Millais- Mariana]

Danach fahre ich zum Trafalgar Square, um mir die Ausstellung “Anarchy & Beauty” in der National Portrait Gallery anzuschauen. Eine freundliche Dame im Foyer erklärt mir, dass die Ausstellung ausverkauft sei. Meinen Schätzungen zufolge müssten dort dann wohl ungefähr zwanzig Menschen vor einem Bild stehen. Ich zwänge mich durch den Strom von Menschen, der nicht abreißen will, wieder hinaus und fahre enttäuscht zum Victoria and Albert-Museum. Dort schaue ich mir ein wenig unmotiviert noch ein paar Kunstschätze aus China und Japan an – und dann müssen wir auch schon wieder los, um das Flugzeug nach Hause zu erwischen. Sechs Stunden, eineinhalb Museen – ich bin nicht ganz zufrieden. Nächstes Mal besser unter der Woche fahren und länger bleiben!

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  1. Gringo says:

    Es war einmal vor vielen vielen Jahren, als nach vielen vielen Kriegen bereits zwei Weltkriege überwunden und Menschen auf dem Mond gelandet waren (aber „Southpark“ noch nicht erfunden worden war) und die Menschheit sich viel weiser als die Menschheit zuvor dünkte und nur wenig weiser als die Menschheit zuvor aber nicht weiser als die Menschheit danach war – obwohl der Begriff „Weisheit“ auf die menschliche Species als Ganzes im Zweifelsfall wohl eher nur eingeschränkt verwendet werden kann – und Feuerzeuge statt Feuersteine und Bildbände statt Internet zur täglichen Verfügung standen, hing in einer gut aber nicht genügend besuchten Ausstellung über englische Maler dieses Gemälde von Millais in München im Haus der Kunst und es erstrahlte mit seinem unfassbaren (Violett-)Blau, gesteigert durch das danebenliegende Orange, so sehr über den Ausstellungsraum hinaus, dass es nicht möglich war, den Ausstellungsraum zu verlassen ohne geblendet oder (violett-)blau oder in romantischer Stimmung zu sein, die es möglich, wenn nicht wahrscheinlich, ja fast unausweichlich, erscheinen ließ die Romantik strahlend aus unseren sehenden sehenden Augen in die sichbare sowie in die sichtbare wie in die unsichtbare Welt zu tragen und Blatt um Blatt mit Sonnenwärme bunt so bunt auf uns regnen zu lassen und die Hände in die Taille zu legen und zu sagen „grey where is thy sting?“ und wenn sie nicht gestorben sind dann sehen sie noch heute …

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