“Jude the Obscure” von Thomas Hardy ist eigentlich ein Roman über ein Thema, das ich persönlich sehr spannend finde: Hochsensitivität. Das heißt: Zu viel wahrnehmen, zu genau hören, zu genau sehen und über all das zu viel nachdenken. An einer Stelle in Hardys Roman – es geht darum, ob die beiden Protagonisten heiraten sollen – heißt es:
“We are horribly sensitive; that’s really what’s the matter with us, Sue!”, he [Jude] declared.
“I fancy more are like us than we think!”
“Well, I don’t know. The intention of the [marriage] contract is good, and right for many, no doubt; but in our case it may defeat its own ends because we are the queer sort of people we are — folk in whom domestic ties of a forced kind snuff out cordiality and spontaneousness.”
Es hat lang gedauert, bis die beiden Sensibelchen überhaupt zusammengekommen sind. Jude ist eigentlich mit einer anderen verheiratet – die er nicht liebt und die ihm irgendwann nach Australien abhaut. Sue heiratet überstürzt einen schoolmaster, merkt dann aber, dass sie keine Gefühle für ihn hat. Erst als sich Jude und Sue von ihren Ehepartnern scheiden lassen, können sie (halblegitim) miteinander leben. In ihren Gesprächen hinterfragen sie alles, was mit Ehe und Sexualität zu tun hat. Das kann manchmal auch ein wenig anstrengend werden. Doch es muss Menschen geben, die immer ein wenig mehr an den Dingen zu knabbern haben – die sich fragen, wie alte Institutionen und Schranken überwunden werden können. Oder, wie Sue es ausdrückt:
“Everybody is getting to feel as we do. We are a little beforehand, that’s all. In fifty, a hundred, years the descendants of these two will act and feel worse than we. They will see weltering humanity still more vividly than we do now, as
Shapes like our own selves hideously multiplied,
and will be afraid to reproduce them.”