Neulich hat eine Kollegin in einem Übersetzungsseminar etwas sehr Richtiges gesagt, und ich wurde auf einen Schlag wieder wach, nachdem ich zuvor in der Mittagshitze vor mich hingedämmert hatte: dass die Lektüre in einer fremden Sprache dem Buch einiges an zusätzlichem Zauber verleiht. Es kommt uns dann vor, als würden ein Schleier über den Seiten liegen – können wir doch, wenn wir ein Buch in einer fremden Sprache lesen, niemals alle Bedeutungen genau erfassen. Wir besitzen eben ein Objektiv, das auf eine anderen Sprache, unsere Muttersprache, eingestellt ist, und können damit eine andere Sprache nur unscharf fokussieren – und es entstehen “Aufnahmen”, die in ihrer Unschärfe etwas Poetisches haben, so wie manche alten Schnappschüsse.