Neulich habe ich eines der schmalen Bändchen des Schweizer Schriftstellers Robert Walser gelesen. Seine größte Stärke: die Beschreibungen des Körperlichen, der Mimik und Gestik der Menschen, die zugleich immer auf etwas Tieferes verweisen. Einige der besten habe ich hier zusammengestellt:
Wir Zöglinge des Instituts Benjamenta sind zu einem oft halbtagelangen seltsamen Müßiggang verurteilt. Wir kauern, sitzen, stehen oder liegen immer irgendwo.

In der Unterrichtsstunde sitzen wir Schüler, starr vor uns herblickend, da, unbeweglich. Ich glaube, man darf sich nicht einmal die persönliche Nase putzen. Die Hände ruhen auf den Kniescheiben und sind während des Unterrichts unsichtbar. Hände sind die fünffingrigen Beweise der menschlichen Eitelkeit und Begehrlichkeit, daher bleiben sie unter dem Tisch hübsch verborgen.

Dem einen beglänzt [die Sonne] die Nase, dem andern die Fußspitze. Spitzen treten an Röcken zum glitzernden und sinnverwirrenden Vorschein. […] Brüste prallen einem entgegen, in Kleidern und Fassonen eingepreßte, weibliche Brüste. Und dann sind wieder die dummen vielen Zigarren in den vielen Schlitzen von männlichen Mundteilen.
Eigentlich gleichen sich die Leute, die sich bemühen, Erfolg in der Welt zu haben, furchtbar. Es haben alle dieselben Gesichter. Eigentlich nicht, und doch. Alle sind einander ähnlich in einer gewissen, rasch dahinsausenden Liebenswürdigkeit, und ich glaube, das ist das Bangen, das diese Leute empfinden.

Eines Tages wird von meinem Wesen und Beginnen irgendein Duft ausgehen, ich werde Blüte sein und ein wenig, wie zu meinem eigenen Vergnügen, duften, und dann werde ich den Kopf […] neigen. Die Arme und Beine werden mir seltsam erschlaffen, der Geist, der Stolz, der Charakter, alles, alles wird brechen und welken, und ich werde tot sein, nicht wirklich tot, nur so auf eine gewissen Art tot, und dann werde ich vielleicht sechzig Jahre so dahinleben und -sterben.
aus: Robert Walser: Jakob von Gunten