Die Angst kommt daher, dass alles offen, aber nichts ohne Bedeutung ist. Man glaubt, in jedem Moment mit seinem ganzen Leben zur Disposition zu stehen. Man kann Umwege machen, Pausen einlegen und Schwerpunkte verschieben; aber das muss einen Sinn machen und zur Vervollkommnung des Lebenszwecks beitragen. Die Angst, einfach so dahinzuleben, ist schwer ertragbar. Angststress ist Sinnstress, von dem einen kein Staat und keine Gesellschaft erlösen kann.

Aber wenn das Bevölkerungswachstum zurückgeht, das Land zur Vorstadt wird und die Eroberung der Welt auf Grenzen stößt, dann werden die zwischenmenschlichen Verflechtungen dichter und unausweichlicher […]. Prämiert wird dann nicht mehr die Obsession, sich selbst zu beweisen, sondern die Kompetenz, die Perspektiven anderer zu übernehmen, sich elastisch und flexibel im Wechsel der Situationen zu zeigen und Kompromisse in der Teamarbeit zu finden. Der seelische Kreiselkompass innerer Gleichgewichtsbildung wird durchs soziale Radargerät der Registrierung der Signale anderer ersetzt. Das Ich wird zum Ich der anderen […]

„Zwei Dinge sind für [den] herrschenden Typ wichtig: zum einen der Weg über die für neue Gruppen und Klassen geöffneten Bildungsinstitutionen und zum anderen die Tätigkeit in beruflichen Kontexten, die Kommunikation und Repräsentation als Schlüsselqualifikationen erwarten. […] Die Aufstiegsenergie wird in den Bildungsinstitutionen durch die Ausrichtung auf Bildungsziele ausgekühlt und abgerichtet. Das Lehrpersonal verteilt Noten bekanntlich nicht nur für formelle Leistungserbringung, sondern auch und besonders für informelle Habitusdurchdringung. Die Heranwachsenden sollen lernen, sich einzubringen, auszudrücken und insgesamt eine gute Figur zu machen.“

Aus der Psychotherapieforschung wird von einem Wandel des klinischen Bildes der psychischen Störung berichtet: von den neurotischen Konflikten zu den depressiven Verstimmungen. Nicht das Ich, das mit seinen Wünschen an die Grenzen des Erlaubten stößt und darüber in eine ängstliche Erwartungshaltung gerät, sondern das Ich, das sich durch vielfältige und widersprüchliche Ansprüche und Erwartungen überfordert fühlt, dem es unendlich schwer fällt, Grenzen zu setzen […] Man will weder leben, um zu arbeiten, noch arbeiten, um zu leben, sondern so viel Leben beim Arbeiten wie möglich und so viel Arbeit beim Leben wie nötig.

Der außengeleitete Charakter hat nichts anderes als die Anderen, die ihm Halt im Leben geben und einen Begriff seiner selbst vermitteln. Der Grund der Angst kommt aus dieser unhintergehbaren Bezogenheit auf eine Instanz, die so unsicher, instabil und unvorhersehbar ist, wie die Andere, die mir grundsätzlich verschlossen ist. [Das macht] jede Kommunikation zu einem Ritt über dünnes Eis […]. Die Angst, jederzeit einbrechen zu können und in ein Loch im Sein zu fallen, äußert sich […] in zwei existenziellen Fluchtbewegungen: Man kann sich vor den anderen zurückziehen oder sich ihnen in die Arme werfen wollen. Im ersten Fall wäre Buddhismus, im zweiten Konformismus der Ausweg.

aus: Heinz Bude, Gesellschaft der Angst
Die dritte Fluchtbewegung ist – fürchte ich – gewalttätig gegen Andere als Blitzableiter zu werden …
Und dann merkt man, dass man im Moment eines der “außengeleitetsten” Berufsbilder von allen anstrebt. Der UX-Designer, der sich an den Anforderungen des Nutzers orientiert, ja dessen ganze Tätigkeit auf die Zufriedenstellung von Nutzern ausgerichtet ist. Und da sind wir auch wieder beim Marxschen Begriff der entfremdeten Arbeit. Wie es dann zuweilen so steht: “You aren’t creating designs for yourself, you’re creating them for someone with completely different needs and motivations than your own.”